Gestern mussten wir unseren Richi gehen lassen – zu groß waren die Schmerzen und zu schwer fiel ihm das Atmen in Folge des Lungentumors, der schon sehr, sehr lange in seinem Körper sein Unwesen trieb.
Jetzt ist er weg, der süße, verschmuste und tollpatschige Fratz, und fehlt an allen Ecken und Enden. Lange genug ließ er uns Zeit, uns auf sein Sterben vorzubereiten – so war er in seinem 15. Lebensjahr als Dobermann ein wahrer Methusalem. Als er mit sieben Jahren aus dem Tierheim zu uns kam, rechnete ich eigentlich nicht damit, dass er letztlich sein halbes Leben mit uns verbringen würde. Richi kam schon gesundheitlich angeschlagen zu uns, war er aber immer ein Kämpfer, sehr hart im Nehmen und er ließ sich nicht unterkriegen, auch wenn von Jahr zu Jahr weitere körperliche ‚Baustellen‘ dazu kamen.
Heute schlief ich das erste Mal seit drei Jahren ohne in Bereitschaft zu sein. Die letzten Jahre musste ich nämlich auch nachts irgendwie immer am Sprung sein: Aufgrund von Richi’s Herz- und immer wiederkehrender Pankreas- und Magen-Darm-Probleme benötigte er auch in dieser Tageszeit des Öfteren eine Türöffnerin und entsprechenden Social Support. Diese Mühen, sie fehlen mir. Ich wünsche sie mir wieder her. Dieser Richi, er fehlt mir. Ich wünsche mir ihn wieder her.
Jetzt ist es weg, unser kleines Fledermäuschen, wie eine gute Freundin Richi immer liebevoll nannte. Er fehlt, hat zugleich aber so viel hinterlassen:
Richi öffnete mir in vielerlei Hinsicht die Augen. Falsche, zu hoch angesetzte Erwartungshaltungen an unsere Vierbeiner sind Gift für die Hund-Mensch-Beziehung. Sie führen zu traurigen, enttäuschten Menschen und gestressten, unglücklichen Hunden. Und ja, es dauerte eine lange Zeit – rückblickend ehrlich gesagt viel zu lange – bis ich es annehmen konnte und wollte, dass Richi als simpler ‚Haus- & Hofhund‘ am aller glücklichsten war. Dennoch war das zum damaligen Zeitpunkt ein Lebensstil für einen Hund, der nicht in mein Konzept passte. Dieser Lebensstil ähnelte am meisten dem, wo er ursprünglich herkam: Von einem Bauernhof, teilweise als Kettenhund gehalten, teilweise im Hühnerstall lebend. Es ist wichtig, dass wir unsere Hunde so nehmen, schätzen und lieben, wie sie sind. Natürlich können wir uns vieles durch gemeinsames Verhaltenstraining erarbeiten − zugleich ist es wichtig, uns bewusst zu machen, dass Training auch seine Grenzen hat.
Mit Richi lernte ich auch, dass das sogenannte Hundetraining zu einem entsprechend großen Anteil aus der professionellen Unterstützung der Hundehalter_innen besteht. Und auch Hundetrainer_innen, Hundeverhaltensberater_innen können diesen oder ähnlichen Support von außen bei ihren eigenen Hunden benötigen. Diesen Schritt bin ich mit Richi leider erst recht spät – aber sehr erfolgreich − gegangen. Meine künftigen Hunde haben von dieser Erkenntnis bereits profitiert und werden es weiterhin. Recht rasch hingegen hatte ich mir nach Richi’s Einzug 2015 verhaltensmedizinische Hilfe gesucht. Dieser Versuch war allerdings nur mäßig erfolgreich – war diese Tierärztin nur sehr bescheiden empathisch, holte mich als Hundehalter_in so überhaupt nicht ab und fühlte sich wohl irgendwie auch zu gewissen veralteten Methoden hingezogen. Wieder etwas dazugelernt: Verhaltensmediziner_in ist nicht gleich Verhaltensmediziner_in. Genauso wie unter den Hundetrainer_innen gibt es hier verschiedene Standpunkte, Standards oder wie auch immer man es nennen möchte.
Und letztlich muss noch unbedingt über Richi erzählt werden: Auch wenn er fremde Hunde sein Leben lang ziemlich blöd fand (Menschen hingegen fand er alle großartig) und keine Hemmungen hatte, das ganz eindeutig zu zeigen, war er ein Paradebeispiel dafür, welch angenehme Gesellen auch ‚solche‘ Hunde im Mehrhundehaushalt sein können, wenn ihnen die Chance gegeben wird, anderer Vierbeiner in aller Ruhe und in ihrem Tempo kennenzulernen.
Mach’s gut, Richi! Wir werden dich sehr vermissen!
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