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Stärken fördern, Routinen schaffen und Prioritäten setzen

Lange war es nun ruhig rund um meine zwei Pflegehunde Sparky & Minka, doch die Ruhe betraf nur mein Berichten, nicht unbedingt das Zusammenleben. Man teilt doch lieber schöne Ereignisse als anstrengende und herausfordernde. Allerdings braucht es genau das Reden, das Schreiben und den Austausch über die fordernden Phasen im Zusammenleben mit unseren Vierbeinern, denn nur so können wir weiter voneinander lernen. Zugegeben: Bei Sparky & Minka machen sich gerade positive Entwicklungen breit, wohl ein Grund, warum ich die Energie geschöpft habe, um diesen Beitrag zu verfassen.

Also, Sparky & Minka befinden sich nun seit drei Monaten auf Pflege bei mir. Aktuell würde ich unsere Situation wie folgt zusammenfassen: Sparky & Minka sind angekommen und haben die ersten Aufregungen des neuen Lebens außerhalb des Tierheims mittlerweile gut verarbeitet. Auch der Stress im Shelter, der ihnen leider trotz aller Bemühungen das Leben dort bestmöglich zu gestalten, sehr zugesetzt hat, scheint langsam abzuklingen. Die beiden wirken mittlerweile deutlich erholter – psychisch, aber auch physisch merkt man Veränderungen wie Gewichtszunahme, Muskelaufbau sowie eine bessere Fellqualität. Wir alle haben mittlerweile eine gute Routine gefunden, wie wir unseren gemeinsamen Alltag bestmöglichgestalten.

Genau das war phasenweise eine kleine Herausforderung für mich, ungeachtet meiner ganzen Erfahrung. Zeitweise hatte ich das Gefühl, ich müsste mich mehr als vierteilen, um allen nur so halbwegs gerecht werden zu können. Was war also bei uns alles los? Ein kurzer Abriss: Minka fiel nach einigen Wochen bei uns leider wieder in ihre Stereotypie des Kreislaufens zurück. An dieser Stelle möchte ich ein riesengroßes Dankeschön an Lydia Pratsch aussprechen, die uns als Verhaltensmedizinerin rasch und unkompliziert geholfen hat und Minkas Entwicklung weiterhin begleiten wird. Bei Sparky kristallisierte sich recht bald heraus, dass er auf die anderen Vierbeiner (und den weiteren Zweibeiner) im Haus sehr gut verzichten kann und am liebsten rund um die Uhr Zeit mit mir alleine verbringen würde. Minka war nach einer kurzen, fast schon freundschaftlichen Phase mit Hundesenior Meysam ihm gegenüber leider nicht mehr positiv gestimmt, nachdem es rund um die Ressource Sofa zu einer kleinen Konfliktsituation gekommen war. Sparky war vorübergehend nachts aufgrund verschiedener Unsicherheiten sehr bellfreudig, was uns viel Schlaf kostete. Doch nun wenden wir unseren Blick auf die Erfolgserlebnisse:


Was hat uns in dieser Phase geholfen?


Die Stärken der Hunde fördern und sich auf das Positive fokussieren: Besonders, wenn die Herausforderungen im Zusammenleben mit den Vierbeinen (scheinbar) überhandnehmen, ist es wichtig, sich darauf zu fokussieren, was im Alltag bereits gut funktioniert. Was macht der Hund gerne, wo stecken seine Talente? Wie verbringt das Hund-Mensch-Team entspannt Zeit miteinander? Bei Sparky & Minka zeigten sich viele Schwierigkeiten vor allem im häuslichen Umfeld – bei kleinen Spaziergängen in der passenden, ruhigen Umgebung hingegen waren sie sehr ausgelassen. So legte ich den Fokus auf Schritt für Schritt immer ausgedehntere Einzelspaziergänge in der Natur. Das schaffte gemeinsame, schöne und auch sehr erholsame Momente und wir alle konnten dadurch Energie tanken.


Routinen und Rituale schaffen: In einem neuen Zuhause oder – wie in unserem Fall – auf einer Pflegestelle, wo noch vieles ungewohnt ist, die Hunde zunächst nicht wissen , was sie erwartet, schaffen Routinen und Rituale Sicherheit – für den/die Halter_in in der Planung wie auch für den Hund. So hat beispielsweise für Sparky ein ritualisiertes abendliches Zubettgehen inklusive entspannungsfördernder Maßnahmen (z. B. Aromaöle, Musik und Pause-Signal) dazu geführt, dass nachts ein Durchschlafen möglich wurde. Routinen und Rituale geben auch uns Zweibeinern Halt: Wenn wir beispielsweise an vieles denken müssen oder viel zu erledigen haben, erleichtern ritualisierte Abläufe den Alltag – ganz besonders in einem Mehrhundehaushalt.


Prioritäten setzen: Hat ein Vierbeiner im Alltag mit mehreren Situationen Schwierigkeiten, so ist es weder für den Hund noch für den Menschen sinnvoll, intensiv an mehreren Baustellen zugleich arbeiten zu wollen, denn Überforderung ist dann vorprogrammiert. Hier ist es notwendig, Prioritäten festzulegen, sich als Mensch-Hund-Team auf gewisse Themen, bestimmte Alltagssituationen zu fokussieren und die positiven Lernerfahrungen zu genießen. Natürlich ist es zugleich für alle anderen schwierigen Situationen wichtig, ein gutes Management zu betreiben, um diese zu entschärfen und Hund & Mensch Stress und Leidensdruck zu ersparen.


Das Wohlbefinden der Menschen nicht vergessen: Ist man großteils damit beschäftigt, den Bedürfnissen der Vierbeiner Aufmerksamkeit zu schenken, kann es durchaus passieren, dass die Zweibeiner, die aber letztlich alles am Laufen halten, zu kurz kommen. Ich muss gestehen, ich war für einen Moment an einem Punkt angelangt, an dem mir das Projekt Pflegehunde fast keine Freude mehr bereitet hätte. Das war zu einer Zeit, in der gefühlt tagtäglich neue Herausforderungen aufgetaucht sind. Vor lauter Hunden sah ich mich selbst plötzlich nicht mehr. Ich schenkte meinen Bedürfnissen keine Beachtung, ich nahm mich nicht wahr. Erfreulicherweise überschneiden sich Sparkys & Minkas Stärken und Glücksmomente auch mit meinen Interessen: Ausgiebige Spaziergänge in der Natur sind auch für mich ein wichtiger Erholungsfaktor. Mein Fokus auf die Interessen & Stärken der Vierbeiner zu legen, war somit eine Win-win-Situation.

Blicke ich auf die letzten Wochen zurück, in denen ich diese genannten Tipps berücksichtigt habe, können wir eindeutige Erfolge feiern. Hier sei vor allem genannt: Die zwei Pfleglinge haben sich zu ambitionierten Spaziergänger_innen entwickelt, die neugierig und ausgiebig Wald & Wiese erkunden. Minka hat wieder Sympathien für Senior Meysam entwickelt und gewinnt von Tag zu Tag mehr Vertrauen ihm gegenüber, wodurch zugleich auch ihre Ressourcensicherung abnimmt. Sparky kann mittlerweile nachts durchschlafen. Darüber hinaus beginnt er sich nun allmählich, sich seinem ‚Pflegepapa‘ gegenüber zu öffnen und ist an gewissen Interaktionen mit ihm interessiert.

Alles in allem ist Hundehaltung eine wunderschöne und bereichernde Erfahrung. Meine (Pflege-)Hunde bringen mir nicht nur viel Freude, ich lerne immer wieder von ihnen – über sie ganz individuell, über Hunde(-haltung) allgemein und auch über mich selbst. Doch es gibt immer wieder Phasen und Momente, in denen das Zusammenleben mit Vierbeinern herausfordernd und anstrengend sein kann. Das ist eine Erfahrung, die wohl viele Hundehalter_innen schon gemacht haben. Häufig wird der belastende und zehrende Teil nicht geteilt, viele ‚leiden‘ sozusagen still. Ich möchte meinen Blog mit einem Appell beenden, dass wir uns auch über die anspruchsvollen Momente im Leben mit unseren Hunden austauschen und gemeinsam lernen, wie wir mit schwierigen Situationen oder Lebensabschnitten umgehen können – zum Wohle der Hunde, aber auch zum Wohle von uns Menschen.

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